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Auf dem Norddeutschen Fachtag „Alphabetisierung und Grundbildung“ in Hannover präsentierten sich bei schönstem norddeutschem Wetter am 14.06.13 zahlreiche Akteure – darunter das Projekt RAUS und trugen zu einem bunten und vielseitigem Programm und kommunikativem Miteinander bei.
Alle Hand voll zu tun: Das Projekt RAUS informiert und präsentiert Materialien.
Marlis Drevermann, Kultur- und Schuldezernentin der Landeshauptstadt Hannover thematisierte in ihrer Eröffnungsrede europäische und arbeitsplatzbezogene Perspektiven der Grundbildung, zeigte auf - was bisher geleistet werden konnte, benannte aber auch Aufgaben und Handlungsfelder die noch zu bearbeiten sind.
Gertrud Völkening von der Agentur für Erwachsenen- und Weiterbildung appellierte an die Tagungsgäste: „In Anbetracht der bevorstehenden Bundestagswahl im September schließen wir einen großen Teil der Bevölkerung von der politischen Mitgestaltung aus. Das können wir nicht zulassen!“ Worte, die beim Publikum Gehör fanden und auch in den Pausen rege diskutiert wurden. Das Gesamtbild der Tagung entstand durch die Mitwirkung vieler – denn die Gäste brachten sich mit zahlreichen konstruktiven Fragen, Ideen und Anmerkungen ein.
Marlis Drevermann begrüßt die Teilnehmer des Norddeutschen Fachtages und präsentiert Einschätzungen zur Grundbildungsarbeit.
In einem Workshop bearbeitete das Projekt RAUS das Thema „Alphabetisierung von Straffälligen als aktuelle Herausforderung“. Unter anderem ging es um Menschenbilder, beispielsweise mit Blick auf die Frage wie Inhaftierte zu Bildungsangeboten stehen. Die Workshop-Teilnehmer brachten sich mit vielen Wortbeiträgen ein – unter ihnen mehrere Akteure aus der Straffälligenhilfe sowie einige Lernende aus VHS-Alphabetisierungskursen.
Gemeinsam wurden die Rahmenbedingungen für Bildungsarbeit in Strafanstalten diskutiert.
Voll zur Sache ging´s im Workshop. Die Gäste diskutierten rege mit und nahmen Materialien in Augenschein.
Eine Lernerin aus einem Hamburger VHS-Kurs stellt im Workshop zum Beispiel fest, dass ein funktionaler Analphabet im Gefängnis in einer noch brenzligeren Situation stecke als ein Betroffener in Freiheit. Denn die oft übliche Vertrauensperson, die in die Lese- und Schreibprobleme eingeweiht ist und einem die schriftlichen Herausforderungen abnimmt, ist im Gefängnis nicht so einfach zu finden. Zudem müsse man in der Haft ungleich mehr Aufwand betreiben, um in den kontrollierten Strukturen und engen Räumen der Strafanstalten unentdeckt zu bleiben. Nicht zuletzt sind zahlreiche Hürden zu meistern: Von der Teilnahme an Freizeitveranstaltungen, über das Ausfüllen von Antragsformularen bis hin zu sozialen Kontakten nach „draußen“. die oft über Briefverkehr gehalten werden müssen.
Von den Workshop-Teilnehmern wurde mehrfach auf die hohe Rückfallquote der Straffälligen hingewiesen. So sei unter Resozialisierungsgesichtspunkten eine Vermittlung von Basiswissen die beste Prophylaxe, die sich dem Straffälligen biete. Grundbildung und daran anknüpfend die Möglichkeit eine Arbeitsstelle zu finden, sei die Basis der Wiedereingliederung in ein soziales Netzwerk und fördere gleichzeitig Unabhängigkeit vom vorherigen Umfeld. Erfahrungen der Teilnehmer weisen jedoch auf die schwierige Etablierung eines Alphabetisierungs- oder Grundbildungskonzepts im Gefängnis hin, da vielfach die finanziellen Mittel fehlen. Ein Praktiker fasste es etwas provokant zusammen: Angesichts der Rahmenbedingungen eines Gefängnis seien gute Lernbedingungen gegeben: „Die Lernenden können ja nicht weglaufen“. Eine andere Lehrende ergänzte: „Wenn die Lerner nicht zum Unterricht kommen wissen wir zumindest immer wo sie sind…“
Projektleiter Andreas Brinkmann notiert im Workshop die Ideen der Gäste und bündelt Ergebnisse.
Auch im Plenum ging es lebhaft zu: In einer Talkrunde tauschten sich die Podiumsgäste vor 150 Gästen über Alphabetisierung im Kontext von Arbeit und Beruf aus. Fazit: Es sei eine Dringlichkeit, die Grundbildung zu fördern, um Menschen langfristig sichere berufliche Perspektiven zu bieten. Neben der Forderung, dass sich politische Akteure stärker des Handlungsfelds Alphabetisierung annehmen sollen stand der Bereich Wirtschaft im Fokus. Einige Gäste kritisierten, dass auf dem Podium kein Arbeitgebervertreter saß. Der Veranstalter erklärte, „dass sich trotz mehrfacher Anfragen leider kein Vertreter dazu bereit erklärt habe.“
In einem Wortbeitrag aus den Reihen der Zuhörer, wurde geäußert, dass mit Blick auf die Effizienz von Alphabetisierung in Betrieben nicht nur der gute Willen der Unternehmensführung wichtig sei. Viel dringender sei eine aufklärende Arbeit mit Mitarbeitern, die (unbewusst) im direkten Kontakt mit Betroffenen stehen.
Alphabetisierung weltweit: Prof. Dr. Anke Grotlüschen wagt den Blick über den Tellerrand und informiert über internationale Ansätze.
Abgerundet wurde das Fachtagungsbild mit einigen bunten Impressionen aus Hamburg: Prof. Dr. Anke Grotlüschen resümierte den Erfolg von Alphabetisierungsprogrammen und Kampagnen im europäischen und nordamerikanischen Raum sowie in Kuba. Vor allem die aufgezeigten nachhaltigen Alphabetisierungserfolge in Frankreich machen den Tagungsgästen Mut und geben weitere Kraft, sich auch in Zukunft für das wichtige Handlungsfeld einzusetzen.
Am 01. Juli 2015 fand die RAUS-Fachkonferenz "Alphabetisierung und Grundbildung im Strafvollzug " im Sofitel Berlin Kurfürstendamm statt. Zur Dokumentation gelangen Sie hier.
Kostenlose Schulungen für Multiplikatoren aus den Bereichen Strafvollzug und Straffälligenhilfe durch. Mehr Informationen hier.
Zum Welttag des Buches 2015 wurde der Materialienpool veröffentlicht. Zum Materialienpool gelangen Sie hier.
Aktuelle Termine des Projekts RAUS finden Sie hier.