Analphabeten auf der Buchmesse?!

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Der Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung präsentierte auf der diesjährigen Leipziger Buchmesse die bundesweite Kampagne „Lesen & Schreiben – Mein Schlüssel zur Welt“ mit der gleichnamigen multimedialen Ausstellung. Die Besucherinnen und Besucher konnten sich an fünf digitalen Info-Säulen mit Hilfe von O-Tönen, Texten, Videos und grafischen Darstellungen über funktionalen Analphabetismus informieren. Kampagne und Ausstellung sind eingebettet in die Nationale Strategie zur Alphabetisierung, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gemeinsam mit den Ländern und den Partnern für Alphabetisierung getragen wird.

Auf der Leipziger Buchmesse standen (ehemalige) Lernerinnen und Lerner aus Lese- und Schreibkursen im Mittelpunkt. Mit dabei waren die Botschafter für Alphabetisierung Thorsten Böhler, Uwe Boldt, Tim-Thilo Fellmer, Karl Lehrer und Jutta Stobbe sowie die Lerner Sabine Ehresmann, Solveig Klockmann und Joachim Radtke. Die zahlreichen Veranstaltungen wurden in Kooperation mit Koalpha durchgeführt, der Koordinierungsstelle Alphabetisierung im Freistaat Sachsen.Ausstellung der Kampagne „Mein Schlüssel zur Welt“ in der Halle

An sehr zentralem Standort in der Glashalle, gleich hinter dem berühmten „Blauen Sofa“ des ZDF, wurden  Aussteller und Besucher aufgefordert, sich mit den 7,5 Millionen funktionalen Analphabeten in Deutschland solidarisch zu zeigen, die von diesem fantastischen „Bücher- und Lesefest im Frühling“ ausgeschlossen sind.

Tim-Thilo Fellmer und Oliver Zille

Oliver Zille, Direktor der Leipziger Buchmesse, der sich seit vielen Jahren für die Alphabetisierung einsetzt, kam zu einem Gespräch mit den Protagonisten der Ausstellung. „Oft glaubt man mir die erschreckend hohe Zahl der funktionalen Analphabeten in Deutschland nicht, wenn ich im Ausland darüber berichte“, so Zille. Für ihn als Direktor der Buchmesse sei es selbstverständlich, hier aktiv zu sein.

Stephanie Beyer von der Ernst Klett AG

Auch Burghard Jung, Oberbürgermeister der Stadt Leipzig, besuchte die Ausstellung und unterschrieb, wie Stephanie Beyer von der Ernst Klett AG (Sponsorpartner des BVAG) die Solidaritätsliste. Viele weitere Aussteller und Besucher der Buchmesse trugen sich in die Unterschriftenlisten ein. Insgesamt verzeichnete man mehr als 200 Unterschriften.

Ernst A. Grandits, Moderator (kulturzeit, 3sat),       Martin Zaschel am Infostand
Autor, Journalist, Filmemacher    

Martin Zaschel vom Justizministerium Rheinland-Pfalz informiert sich über die Arbeit des Bundesverbandes Alphabetisierung und Grundbildung. Insbesondere erkundigt er sich nach dem Projekt RAUS - Resozialisierung durch Alphabetisierung und Übergangsmanagement für Straffällige.

Die digitalen Säulen der Ausstellung fanden reges Interesse

Besondere Höhepunkte während der Messetage waren Besuche von Lernerinnen und Lernern aus Lese- und Schreibkursen. Mit der Selbsthilfegruppe Alphateam Muldental reiste auch Joachim Radtke an. Er erläuterte, dass auch in der ehemaligen DDR nicht alle Jugendlichen die Schule mit ausreichenden Kenntnissen im Lesen und Schreiben verließen.Tim-Thilo Fellmer mit der Selbsthilfegruppe Alphateam Muldental, in der Mitte Joachim Radtke

Aber nicht nur auf dem Messegelände waren die Lerner aktiv. Im Rahmen von „Leipzig liest!“ gab Tim-Thilo Fellmer im JobClub der Arbeitsagentur Leipzig eine Kostprobe aus seinen Büchern. Mit sehr überraschten und interessierten Jugendlichen diskutierte er über seinen Weg vom funktionalen Analphabeten zum Buchautor und Verleger. Die Veranstaltung wurde von Koalpha Sachsen in Kooperation mit den lokalen Akteuren zur Alphabetisierung organisiert.
 
Tim-Thilo Fellmer im JobClub Leipzig                     Ansturm der Besucher in der Glashalle am Samstag

Das Resümee von Jutta Stobbe: „Ich war überrascht, wie viele hier echtes Interesse zeigten oder direkte Anliegen hatten. Wie zum Beispiel die Mutter eines Jugendlichen, der Schwierigkeiten mit dem Schreiben hat. Ich glaube, das Thema wird doch allmählich bekannter. Es gibt nicht mehr nur die Neugierigen, sondern Menschen, die uns zuhören, uns ernst nehmen, uns ermutigen weiterzumachen. Wir erleben hier eine große Solidarität von Autoren, Verlagen und von den Besuchern. Das wünschen wir uns überall. Denn nur dann können wir es schaffen, möglichst viele von den 7,5 Millionen zu erreichen.“

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